MGV Theater Tradition
Immer zum Jahresende übernimmt die Theatergruppe die Hauptrolle im MGV und dies, bis auf die durch die Corona Pandemie bedingten Ausfälle, ohne Unterbrechung seit ihrer Gründung 1947.
Bis 1953 wurde im Gasthaus Bären auf kleiner Bühne geprobt und gespielt. Die Gestaltung der Bühne war sehr schlicht. Aufrollbare Leinwände dienten als Kulissenwände. Sie wurden bemalt und davor waren Tische und Stühle die einzigen Requisiten. Vor jeder Aufführung sang der Männerchor sechs bis acht Lieder. Die Orchesterabteilung des Vereins, die sich ausschließlich aus einheimischen Musikern zusammensetzte, machte Singspiele und Operetten möglich, die in den 50er Jahren besonders beliebt waren. Dies führte zu großer Beliebtheit des Theaters weit über Simonswald hinaus. Oft war der Saal schon Stunden vor Beginn voll mit Gästen besetzt. Die Aufführungen mussten deshalb einige Male wiederholt werden, so dass ab 1954 im größeren Saal der Krone-Post aufgetreten wurde, der neben der Größe noch dazu den Vorteil einer festeingebauten Bühne bot. Der Erfolg war hausgemacht und hatte, wie das bei Erfolgen üblich ist, viele Väter und Mütter. Doch in besonderer Weise galt dies für den Lehrer Karl-Friedrich Gießler, der die Theatergruppe von Beginn an für 30 Jahre mit Begeisterung und Herzblut leitete. Er wurde für sein langjähriges ehrenamtliches Engagement 1983 mit der Ehrennadel des Landes Baden Württemberg ausgezeichnet. Der „Theatermensch“ Gießler würde sich über die fachkundige Anerkennung durch andere „Theatermenschen“ vom weltberühmten Wiener Burgtheater noch weit mehr gefreut haben.
Am 15. Juni 1956 wurde das eigentlich zur Weihnachtszeit angesetzte Singspiel „Die schöne Müllerin“ noch einmal vor den Sommergästen im Tal aufgeführt. Unter ihnen befand sich ein Bühnenbildner vom Burgtheater aus Wien. Er war so begeistert, dass er seine Kollegen von der Dramaturgie in Wien bat, anlässlich des Schillerjahres eigens für die Simonswälder Theatergruppe Schillers „Kabale und Liebe“ zu bearbeiten.
Ein Zeitungskritiker schrieb über die Aufführung 1960: „...dass in einem stillen Schwarzwaldtal auf einer dörflichen Bühne von Laienspielern ein Drama von Schiller aufgeführt wird...dass 600 Menschen nahezu vier Stunden aufs tiefste beteiligt sind an dem menschlichen Geschehen auf der Bühne, mitgerissen nicht nur durch das dichterische Wort, sondern genauso durch das Format der Aufführung, allein der Gedanke, dass es so etwas geben könnte, muss begeistern und anspornen.
Zu Beginn der 70er Jahre geriet Theaterspielen aus der Mode. Im gesamten Elztal gaben viele Gruppen auf. Doch in Simonswald trotzten einige Theaterenthusiasten dem Trend und dem Zuschauerrückgang. Gerhard Dieterle konnte darauf aufbauen, als er 1977 die Leitung und die Regiearbeit übernommen hatte. Ihm gelang es, neue Schauspieler zu finden und in kürzester Zeit wuchsen „alte Hasen“ und „junge Wilde“ zu einem neuen Team zusammen. Der neue Schwung konnte durch ein weiteres Erfolgsstück hoch gehalten werden. „Der Vogt auf dem Mühlstein“, eine Bühnenversion der gleichnamigen Erzählung des beliebten badischen Volksschriftstellers, Pfarrers und Altrevolutionärs der 1848iger Bewegung Heinrich Hansjakob aus Haslach im Kinzigtal, wurde von 40 Darstellern aufgeführt, die noch dazu vom Orchester unterstützt wurden.
Sieben ausverkaufte Aufführungen allein in Simonswald und einige in den Nachbargemeinden hatten gezeigt, dass man das Niveau aus der Anfangszeit ungeschmälert über die Jahre der Theaterflaute hinweg gerettet hatte.
Gerhard Dieterle: „Theater spielen ist für Menschen, von
Menschen und über Menschen.
“
Ab 1989 führte Erwin Ruth die Theatergruppe. Unter seiner Regie starteten Lambert Fehrenbach, Ludwig Weis und Erika Winterhalter ihre langjährige „Theaterkarriere“ in unverwechselbaren Charakterrollen.
Erika Winterhalter: „In eine Rolle zu schlüpfen, eine andere Person zu sein, was im normalen Leben nicht möglich gewesen wäre, das ist etwas Schönes und bleibt unvergesslich.“
Kontinuität ist ein weiteres Erfolgsrezept der Theatergruppe im MGV. Seit 1995 und nun schon fast 30 Jahre prägt Annemarie Schindler die Arbeit auf und hinter der Bühne und ist damit seit 1947 erst die vierte Impressarin. Ihre Textauswahl geht mit der Zeit und verändert sich wie auch der Geschmack des Publikums.
Waren es in den 50er Jahren Dramen wie „Henkersohn und Zigeunerin“ oder Singspiele wie „Hochzeit mit Erika“, so sind es heute unterhaltsame Schwänke und Volksstücke, die das Publikum erfreuen. Der heutige Besucher möchte am liebsten Spiel, Spaß und Spannung wie im „Kinder-Überraschungs-Ei“. Stücke wie „Der ledige Bauplatz“, „Liebling es ist angerichtet“, „De Hotzenblitz“ oder „Lügen über Lügen” und in den letzten Jahren „Lediglich Ledig“, „Kunigunde darf nicht sterben“ oder „... und das am Hochzeitsmorgen“ bieten niveauvollen Humor.
Annemarie Schindler: „Das Leben ist eine Bühne, die Welt ein Theater“
Doch auf der Theaterbühne ist für das Publikum und die Schauspieler lange noch nicht Schluss. Die Geselligkeit, und das Gemeinschaftserlebnis hält Zuschauer und Akteure nach der Aufführung zusammen. Das Ensemble, ergänzt durch viele Helfer, pflegt diesen Gemeinschaftssinn schon lange vor der Premiere. Friseurinnen schminken, Näherinnen erfinden Kostüme, Schreiner entwerfen das Bühnenbild, die Souffleuse sorgt für Textsicherheit, Werbung wird gedruckt und an die Medien gemailt, Ton und Technik ist nur etwas für sichere Hände, und wie im richtigen Leben muss noch jemand als Ersatz für die Abendkasse nach einer plötzlichen Absage gefunden werden.
Die Bühne im Kronesaal strahlt ihren besonderen Flair bei den Proben und den Aufführungen aus. Die Kronenwirte haben dem Theaterteam im MGV dabei immer wieder durch kalte und heiße Getränke über die gröbsten Hemmschwellen geholfen. Dies alles trägt zum Erfolg bei. Doch dann, im entscheidenden Moment unmittelbar vor der Premiere kommt alles zu spät und das Kribbeln zu früh.